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Briefmarken
Der Sondertarif der Rohrpost, auch
„Unwettertarif“ genannt (1927)
Von Hervé Barbelin von der Académie de Philatélie
Die Konferenz zeichnete anhand von Zeitungsausschnitten, gespickt mit Korres-
pondenzbeispielen, die Geschichte eines Sondertarifs nach, der auf ein Wetterereignis
zurückgeht.
Am Nachmittag des 11. Juli 1927 erlebte lides“, „Ségur“ und „Vaugirard“, die auch zur
Paris ein Unwetter, durch das die Abwas- „Ségur“-Zentrale gehörten, erlebten eine
serkanäle barsten und die Kellerräume der Unterbrechung ihrer Telefonverbindungen
„Ségur“-Telefonzentrale bis zu zwei Meter für eine voraussichtliche Dauer von mehre-
hoch unter Wasser setzte. Bereits am ren Wochen.
6. Juli hatte ein erstes Gewitter, für eine Der PTT-Minister (Minister für Post,
50 Zentimeter hohe Überschwemmung Telegrafie und Telefon) Maurice Bo-
gesorgt. Und als ob dies noch nicht genug kanowski ergriff zunächst zwei klassische
wäre, hatte am 25. Juni ein Feuer durch Maßnahmen für solche Fälle: er strich
einen Kurzschluss bereits Schäden verur- die Abokosten und ermöglichte die Nut-
sacht, die kurz vor der Reparatur standen. zung öffentlicher Telefonzellen durch die
Das Wasser überschwemmte die Akku- Abonnenten zum selben Tarif wie über
mulatoren und Verteiler der Zentrale und ihren Telefonanschluss. Angesichts der
12.000 Kunden der Telefonanbieter „Inva- Proteste der Kunden in Anbetracht dieser
sehr geringen Entschädigungen für eine
mehrwöchige Störung, entschied der
Minister schließlich, dass die Betroffenen
ab dem 18. Juli 1927 und für die Dauer der
Unterbrechung ihres Telefon-
anschlusses Rohrpostsendungen zum
Tarif von 0,30 Francs (= Preis einer Tele-
foneinheit) anstatt 1,50 Francs (Tarif der
1. Gewichtsklasse für Rohrpost vom 1.
Mai 1926) verschicken und empfangen
durften. Dieser Tarif war sogar günstiger
als der Inlandstarif für den einfachen Brief
(0,50 Francs).
Die von den Teilnehmern verschickten
Sendungen konnten am Schalter eines
beliebigen Postamts im 7., 14. und 15.
Arrondissement oder, von den Abonnenten
Erster Tag der Maßnahme, 18. Juli 1927; Anrecht auf die Maßnahme durch
die Telefonvorwahl des Absenders (Ségur) belegt. Der Stempel des Postamts
PARIS 102 (Boulevard Pasteur, 15. Arrondissement) bestätigt die Gültigkeit der
Frankierung; die Angabe der Telefonnummer des Empfängers wurde laut Anwei-
sung nicht verlangt.
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